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Die Kunst der Knoten

Occhi ist eine alte Handwerkstechnik, die im 18. und 19. Jahrhundert vor allem von Damen der vornehmen Gesellschaft ausgeübt wurde. Helma Siepmann hat die klassische Knotenkunst neu entdeckt und weiterentwickelt.

 
Von ihren Enkeln wird sie liebevoll Occhi-Oma genannt: Die alte Handarbeitstechnik ist Helma Siepmanns große Passion – und als Lehrerin, Buchautorin und Künstlerin hat sie viele Menschen mit ihrer Begeisterung angesteckt. „Ich war noch ein Kind, als ich von einer 80-jährigen Haushälterin in die Fertigkeit des Spitzenknüpfens eingeweiht wurde, und diese Leidenschaft hat mich nie wieder losgelassen“, erzählt die Meisterin der Schlingen und Schlaufen. Occhi ist die hohe Kunst der Knoten. Diese werden mithilfe eines Schiffchens auf einen Trägerfaden geknüpft, aufgereiht und anschließend zu einem Ring zusammengezogen. Jeder dieser kleinen Ringe sieht aus wie ein Auge – „occhio“ auf Italienisch.

DIE VIELFALT DER NATUR
Beim klassischen Spitzen-Occhi wird Knoten für Knoten, Ring für Ring, Bogen für Bogen nach Anleitung gearbeitet und in steter Folge wiederholt. Um die dabei entstehenden streng geometrischen Muster durch Motive aus der Natur ersetzen zu können, hat die Dortmunder Künstlerin auf der Basis der alten Technik neue Knoten und Knüpfelemente entwickelt, die den individuellen Gestaltungsmöglichkeiten freien Lauf lassen. Und sie brachte farbige Garne ins Spiel, um Blüten, Blättern, Blumen, Bäumen, Sträuchern und Landschaften in ihrer ursprünglichen Vielfalt gerecht zu werden.
Diesem neuen, naturbezogenen Ansatz des sogenannten Kreativen Occhi ist es zu verdanken, dass die alte Handarbeitskunst, mit der sich im 18. und 19. Jahrhundert Damen aus gehobenen Gesellschaftsschichten die Zeit vertrieben, heute wieder ausgesprochen lebendig ist. Besonders freut sich Helma Siepmann, deren Occhi-Landschaftsbilder den Weg bis nach Japan und Australien gefunden haben, über die wachsende Zahl von jungen Frauen, die mit den Schiffchen ihre ganz persönlichen fantasievollen Kreationen schaffen. Wie die adeligen Damen wissen auch moderne Occhianerinnen zu schätzen, dass das Arbeitsmaterial klein ist und sich jederzeit in einem Beutel mitnehmen lässt: Man braucht nur zwei bis drei Schiffchen, Garn, das darauf aufgewickelt wird, sowie ab und zu eine Häkelnadel zum Zusammenziehen bestimmter Muster.

ELFENBEIN UND SCHILDPATT
Die fünf Zentimeter langen Schiffchen waren einst aus Elfenbein, Knochen, Silber oder Schildpatt gefertigte Kostbarkeiten, heute sind sie aus Holz oder Plastik. Im Kreativen Occhi kann man mit allen Naturgarnen arbeiten – vom feinen Spitzenfaden bis hin zu dicker Wolle. Helma Siepmann empfiehlt den Anfängern, zunächst Perlgarn No. 5 oder No. 8 zu verwenden. Die fertige Knotenkunst lässt sich problemlos auf die verschiedensten Unterlagen aufbringen. So schmücken die blumigen Occhi-Werke nicht nur Tischdecken und -läufer, sondern auch Blusen, Pullover, Jacken, Röcke und Kleider. Ein Tipp der Expertin: „Zum Fixieren auf Textilien hat sich Bügelvlies besonders bewährt. Diese Applikationen sind bis zu 60 Grad waschmaschinenfest.“ Für Wandbilder werden die geknüpften Occhi-Elemente entweder mit der Pinzette auf Papier aufgeklebt oder lose auf Seide gelegt und mit Glas und Rahmen fi xiert. Eine besonders hübsche Idee haben zwei der jüngsten Occhi-Schülerinnen von Helma Siepmann entwickelt: Sie knüpfen mit ihren Schiffchen bunte Freundschaftsbänder.
Angelika Krause
 
Occhi neu entdeckt
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